Sonntag, 22. April 2012

72-80-96-2012

Freunde des guten Fußballgeschmacks wissen, dass diese Zahlen keine seltsamen Modelmaße darstellen sollen, sondern auf was viel wichtigeres hinweisen sollen: Die EM ist in Warschau angekommen. Zwar geht es so richtig erst am 7. Juni los, wenn die Fanmeile hier eröffnet wird und dann am 8. Juni das Eröffnungsspiel steigt, aber vor zwei Tagen ist der Siegerpokal schon einmal angekommen - samt Parade und langer Fotoschlagen, denn man durfte sich nun am Samstag und Sonntag tatsächlich mit dem guten Teil fotografieren lassen (wenn man die ewig lange Warteschlange in der prallen Sonne ohne Dehydrierung überstanden hat).  

Und so sieht das Schätzchen aus, dass "wir" nun schon '72, '80 und '96 in den Händen halten durften:
Ansonsten ist in Warschau schon so ziemlich alles auf EM getrimmt: von jeder Cola-Dose, Straßenbahn und Plakatwand lacht einen das EM-Logo an. In den Läden gibt es alles von Kleidung, über Fan-Artikel bis hin zu Küchenutensilien im EM-Style zu kaufen.
Außerdem versucht sich die Stadt auf den wahrscheinlich recht großen Touristen-Ansturm vorzubereiten: Man hat mal eben so nebenbei eine zweite Metrolinie in den Boden gepfeffert, die dann in Kürze eröffnet werden soll. Alles für den komischen Sport, bei dem 22 Männer einem kleinen schwarz-weißen Ball hinterher rennen und dem doch so viele zugucken, jaja - verrückte Welt.

Abseits der ganzen EM-Vorbereitungen habe ich mir gestern dann das totale Kontrastprogramm gegönnt: Eine Free City-Tour mit dem Thema "Sozialer Realismus". Habe also quasi Populärkultur und Fanhype gegen nüchternem kommunistisch-sozialistischem Baustil eingetauscht. Überaschenderweise war die Tour, die uns zwei Stunden lang die Überreste aus der guten alten Zeit Stalins gezeigt hat, gar nicht langweilig. Der Guide war wirklich super und obwohl ich nun schon ganze zwei Monate hier in Warschau lebe und mich wirklich nicht mehr wie ein waschechter "Tourie" fühle, habe ich ein paar Ecken und Dinge gesehen, die ich vorher noch nicht so kannte.
Hier also ein paar Impressionen, meine Lieben:



Nein, dieses Bild wurde nicht außerhalb Polens gemacht, sondern stammt wirklich aus der Zeit des sozialen Realismus. Die Architekten haben sich damals gerne von Weltstädten inspirieren lassen.






Feiernde Bürger, wie du und ich - das war jedenfalls Sinn und Zweck dieser Wandtafel, der vermittelt werden sollte.




Alles ein wenig überdimensioniert: An den Hauswänden in der Nähe des Platzes der Konstitution sollten die typischen Arbeiterschichten und Menschen Polens gezeigt werden. Bermänner, Handwerker, Soldaten...






...und auch Mütter mit ihren Kindern. Natürlich total systemtreue Menschen, wie sie im Buche stehen.




Auch eine Kirche durften die Polen im sozialen Realismus behalten. Auch wenn sich die Kommunisten und die Kirche eher weniger nah standen.




Deckenmosaik am Platz der Konstitution.




Endpunkt des Platzes der Konstitution mit seinen drei großen Leuchtern. An deren Stelle sollten eigentlich überdimensionale Statuen kommen - da aber keiner so recht wusste welche, sind es halt Laternen geworden. Klingt logisch...




Gegensätzlicher könnte also ein Wochenende kaum sein, wie man sieht.

Wie ich ja schon groß angekündigt habe, bekomme ich am Donnerstag Besuch und ab da jagt dann ein großes "Highlight" das nächste: Nachdem Toffa vier Tage mit mir die Hauptstadt Polens zu sehen bekommt, verirren sich auch Mirvais und Zohra hier hin, gefolgt von meiner lieben Tante und meiner Oma :) und Ende Mai sind dann noch meine Eltern dran. Ein voller Terminkalender also, neben dem ganzen üblichen Unikram - aber auf jeden Fall den Streß 100%ig wert! Ich freu mich!
In diesem Sinne: Do widzenia, liebe Leute.

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